Ein etwas anderes Jahr

So geht es dahin, dieses Jahr 2020, das sie in Frankreich enthusiastisch als “vin vin” (Kurzform von “vingt vingt”) begrüßt haben. Wahrlich nicht die einzige unerfüllte Hoffnung der letzten 12 Monate. Es hat viel mehr Verlierer als Gewinner hervorgebracht, und jetzt reihen sich auch die Weihnachtstage in die so häufig erteilte Bewertung von “außergewöhnlich” über “noch nie erlebt” bis “katastrophal” ein. Selbst unser stets pflichtschuldiger Abteilungsleiter mag es nicht noch einmal alles aufschreiben, die Abteilungsversammlung, den Saisonauftakt, das Weihnachtsturnier, die ganze Reihe ausgefallener Veranstaltungen – wozu auch? Aber vielleicht kann der Schreiberling, weitgehend befreit vom Zwang zur Vollständigkeit, zur Ausgewogenheit und zur Wahrung der Political Correctness, ja doch noch mal einen Blick zurück wagen, ohne Zorn, sondern eher mit einem kleinen Lächeln im Knopfloch. Einem Lächeln, das keinesfalls irgendetwas verharmlosen oder leugnen soll.

Das Wort des Jahres und alle damit verbundenen Begriffe kann und werde ich meiden, um das Thema komme ich nicht herum. Dazu hat ES, dessen Name hier nicht genannt werden soll, einfach zu großen Einfluss. Übrigens sind gewisse Parallelen zu Voldemort durchaus vorhanden: Die Unsichtbarkeit, die Angst, die manchmal tödliche Bedrohung. Ohne Frage, Hogwarts ist Phantasie, das Geschehen in unseren Schulen harte Realität, aber gerade in dieser kulturarmen Zeit ist Literatur alles Andere als irrelevant. Der wichtigste Unterschied zu Voldemort ist, dass Letzterer es bereits hinter sich hat, er ist besiegt, und das normale Leben ist in J.K.Rowlings Romanwelt zurückgekehrt. Deshalb kann und darf man seinen Namen auch wieder aussprechen. Vielleicht halten wir den Elderstab ja auch bereits in den Händen?!

Wie immer sind wir mit den Vereinsmeisterschaften ins Jahr gestartet, mit einem überragenden König Artur (ohne h) und vielen tapferen Rittern an der Tafelrunde. Intensiv und ahnungslos bereiteten wir uns auf eine Rückrunde vor, die mit großen Herausforderungen auf uns wartetet: die neuformierte Erste und die Dritte befanden sich direkt über, die Zweite mitten in der Abstiegszone, und auch die Vierte hatten bislang kaum mehr als die Pflichtsiege eingefahren. Die Jugend war zum Jahreswechsel in die 3.Kreisklasse aufgestiegen und wusste, dass es ebenfalls nur um den Klassenerhalt gehen konnte. Gut 3 Monate später war klar, dass es für alle Erwachsenenmannschaften weitestgehend aus eigener Kraft gereicht hat, nicht nur wegen der vorzeitig abgebrochenen Saison. Lediglich der Zweiten blieben im allgemeinen Streichkonzert die Unwägbarkeiten einer Relegation erspart. Die Jüngsten konnten zwar das Kellerduell für sich entschieden, bis zum vorzeitigen Saisonende reichte das jedoch zum Verbleib in der Klasse nicht.

Nun ja, und dann wurde es etwas ruhiger und etwas anders in der Halle. Masken und Desinfektionsmittel bestimmten das Bild. Noch ist gar nicht absehbar, ob das plötzliche Übermaß an pflegender Zuwendung bei dem einen oder anderen Betroffenen irgendwelche Langzeitfolgen haben wird – das sind ja schließlich auch nur Tische. Anmelden war mühsam, der Verzicht auf die Doppel eine echte Spaßbremse. Sinnvolle und kuriose Regelungen wechselten sich ab, wurden angeregt, auferlegt und wieder zu den Akten gelegt. Jeder schlägt nur mit seinem Ball auf, war mal eine davon. Und wenn dieser verschlagen wird, rennt jeder höchstselbst hinterher, um ihn zurückzuholen, natürlich ohne die eigene Box zu verlassen oder gar eine andre zu betreten. Fremde Bälle sollten, ohne sie anzufassen, aus der Box herausjongliert werden. Bei den motorisch wenigstens durchschnittlich Veranlagten hat das ja auch meist innerhalb einer Minute geklappt.

Die Anderen hätten man gern mal zur Abnahme der TT-Sportabzeichen unserer Jugend eingeladen, die Anfang Juli tatsächlich noch stattfinden konnte. Für Andreas, Karl-Heinz, Sebastian und Klaus ist das ohnehin immer schon viel Arbeit, aber diesmal wurde es mit den erforderlichen Schutzmaßnahmen nochmal deutlich mehr. Für die Teilnehmer – nicht nur Kinder und Jugendliche, sondern auch einige Eltern – stand ein aus mehreren Disziplinen bestehender Geschicklichkeitsparcours auf dem Programm. Zugegeben, den ruhenden Ball aufzuheben, ohne ihn anzufassen, war nicht dabei. Aber beim Vor-/Rückhandtengeln würde man doch zu gern mal den einen oder anderen Ballartisten aus den Herrenmannschaften beobachten. Die Kids haben das jedenfalls im Durchschnitt ganz gut gemacht, und auch die Eltern waren diesbezüglich sehr bemüht.

Zurück aus dem Urlaub 2020 – Peenemünde statt Hurghada, Bad Zwischenahn statt Riva del Garda – starteten wir zuversichtlich in die neue Punktspielrunde. Abgehakt, so schien es, war der Ärger über den Sudden Death der Vorsaison und die dadurch unvermeidlichen Schiefstände in der Endabrechnung. Keine Doppel zu spielen, dafür alle Einzel, das fühlte sich jetzt nicht allzu unnormal an. Geradezu avantgardistisch mutete es hingegen an, die Spieltermine per Mail, WhatsApp und Telefon zu vereinbaren. Kann man so machen, und im Betriebssport wird das auch bereits seit Jahrzehnten so gehandhabt. Aber ich will doch stark hoffen, bald wieder zweimal jährlich die 13 km nach Groß WieWarDochGleichDerName zu fahren, um mit Zettel und Papier durchs mäßig gelüfteten Vereinsheim zu mäandern und spätestens nach dem dritten Gespräch nicht mehr zu wissen, welches der herrenlosen Biere jetzt eigentlich meines war. Das ist doch die Normalität, die wir derzeit so sehr vermissen.

Als Ausdruck tatkräftiger Entschlossenheit hat Tischtennis inzwischen seinen Status als Mannschaftssportart abgelegt. Die Erste darf sich noch bis Ende der Saison “Mannschaft” nennen, danach wird sie in “Individuenkollektiv” umbenannt. Auf Kreisebene kommt die Umstellung erst ein Jahr später. Wenn Sebastian künftig sein Spiel gewinnt, geht dieser Punkt nicht mehr einfach irgendwie im Mannschaftsergebnis unter. Soll Klaus doch erstmal selbst gewinnen! An den Details zur Berechnung der Abschlusstabelle wird dem Vernehmen nach noch gefeilt. Was man aber jetzt schon sagen kann: Genutzt hat’s nichts! Wir stehen vor denselben verschlossenen Türen und gesperrten Plätzen wie die Volleyballer oder die Amateurfußballer. (Den sich anbietenden Abzweig in die Neiddebatte nehmen wir hier ganz bewusst nicht.)

Können wir der ganzen Situation eigentlich auch irgendetwas Positives abgewinnen? Neulich hörte ich jemanden geradezu frohlocken: “Meine Eltern und Großeltern haben immer von den schweren Kriegsjahren erzählt, und ich dachte schon, meinen Enkeln einmal als ein Mensch gegenübertreten zu müssen, der nie wirklich schwere Zeiten erlebt hat. Jetzt kann ich dereinst sagen, dass man sich das, was ich 2020 erlebt habe (… und dessen Namen man dann ja auch wieder nennen kann, Anm. des Autors), überhaupt nicht ausmalen kann, wenn man es nicht selbst miterlebt hat.” – Mögen alle Bedenken gegen das, was diese Äußerungen implizit unterstellen, sich als grundlos erweisen.

Natürlich endet auch dieser Jahresrückblick zuerst einmal mit dem Wunsch, dass wir alle gesund bleiben mögen, aber auch mit der Hoffnung, dass wir uns alsbald unbeschwert und unversehrt wiedersehen, dass die Bälle wieder fliegen und dass wir dann irgendwann auch wieder Doppel spielen und abklatschen dürfen.

Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch!
   

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